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Meet: Anna & Katha

Meet: Anna & Katha

Dieses Interview wurde von Nele Tüch für unseren Partner Frairaum geführt.

Nele: Perioden sollten meist unbemerkt, leise, geruchlos und quasi unsichtbar verlaufen. Ihr macht genau das Gegenteil: Ihr seid laut, direkt und sprengt bewusst Tabus. Wie wichtig ist diese Konfrontation für euch?

Anna: Unser Ziel ist es, dass Menstruiernde die Wahl haben, ob sie – so wie wir als Marke – laut sein wollen und jedem erzählen wollen, dass sie ihre Tage haben oder ob sie das Thema nicht anschneiden wollen. Indem wir offen darüber reden, zeigen wir, dass sich niemand schämen oder verstecken sollte.

Katha: Der Claim der Firma ist „Do what you want.“ Nur weil die Periode für mich als Frau unbemerkt bleibt, wenn ich das Produkt verwende und ich durch den Softtampon absolute Freiheit und den größtmöglichen Komfort genießen kann, bedeutet das nicht, dass ich meine Periode verstecken will. Ich kommuniziere offen, dass ich meine Periode habe, aber vermeide Nerv-Effekte.



Nele: Ihr macht also in beiden Aspekten das Gegenteil von dem was die herkömmlichen Tampon-Marken machen. Herkömmliche Tampons merkt man fast immer und sind spürbar Teil der Periode. Auf der anderen Seite hängen diese Marken an einer Kommunikation, die darauf aufgebaut ist, dass man kein Blut sieht und die Periode negiert. Genau so sollte es nicht sein. Wir sollten über die Periode reden um sie zu normalisieren, aber sie auch so angenehm wie möglich erleben können.

Katha: Die Periode ist was ganz natürliches. Jede Frau hat sie und daran müssen sich alle gewöhnen. Und trotzdem sind sie nicht immer die angenehmsten Tage im Monat. Unser Ziel ist es also dieses unangenehme Gefühl wohliger und angenehmer zu gestalten.

Nele: Über seine Tage zu reden ist oft eine Sache, die nicht mit Komfort einhergeht. Man muss aus seiner Comfort-Zone herausgehen. Musstet ihr euch erstmal angewöhnen offen über das Thema reden zu können?

Anna: Wahrscheinlich niemand redet so viel über die Periode wie wir und ein paar andere wenige Frauen in Deutschland. Für uns ist es mittlerweile so normal, wie über das Mittagessen zu reden.

Katha: Auch während des Mittagessens.

Katha: Wir haben natürlich noch nicht unser ganzes Leben lang schon so offen und viel über die Periode geredet, das ging erst mit dem Job einher. Als es losgegangen ist, haben wir Freunden und Bekannten davon erzählt und gerade die Reaktionen von Männern waren interessant. Viele haben die Idee total unemotional betrachtet, weil sie uns als Business-Case gesehen und direkt gefragt haben: „Wie monetisiert ihr das?“ Andere waren eingeschüchtert und wollten mit dem Thema nichts zu tun haben. Aber es gab auch viele, die die Idee ganz toll fanden.

Anna: Die Hemmschwelle ist in den letzten Jahren extrem gesunken, besonders durch die Markenauftritte anderer Tampon-Produkte. Oder wegen der Tamponsteuer-Petition. Es hat sich sehr viel getan. Wir sind also genau zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen.

Katha: Uns haben sehr viele andere Frauen den Weg geebnet, wie Nana von der Periodensteuer oder die Firmen, die es bereits auf dem Markt gibt.

Nele: Als Jugendliche hatte ich zum Beispiel ein ganz anderes Verhältnis zur Periode: Wie oft hat man sich in der Schule den Tampon in den Ärmel gesteckt oder ihn versteckt in der Faust unterm Tisch weitergereicht. Wenn wir weiterhin so offen kommunizieren, können wir vielleicht mehr jungen Frauen den Mut geben, den Tampon einfach über den Tisch durch’s Klassenzimmer zu schmeißen.

Katha: Genau dieses Selbstbewusstsein wollen wir auch mit unserem Packaging hervorrufen: Es sieht aus wie Süßigkeiten, in bunten Farben. Wobei es uns nicht darum ging, die Periode hinter einer Süßigkeiten-Fassade zu verstecken, sondern darum, dass Periodenprodukte nicht immer klinisch und medizinisch und langweilig sein müssen.

Wir haben natürlich mit ganz vielen Menstruierenden aus allen Altersklassen gesprochen. Seit Kurzem haben wir sogar eine Schülerpraktikantin. Ich kann sagen, dass die jungen Mädchen und Frauen heute ganz anders drauf sind als wir es in dem Alter waren.

Anna: Das sind Veränderung, die sich über Generationen erstrecken. Es hat sich schon sehr viel getan zwischen den Generationen unserer Großmütter, Mütter und uns.

Nele: Für uns mag es mittlerweile ganz normal sein, über seine Periode zu reden, allerdings befinden wir uns auch in einer Bubble. Meine männlichen Freunde würden nicht mal mit der Wimper zucken, wenn ich beim Mittagessen über meine Periode reden würde – mein Vater übrigens auch nicht. Aber ich glaube, sobald man aus dieser Bubble heraustritt, gibt es noch viele Menschen, die den offenen Umgang mit dem Thema irritierend finden. Habt ihr damit auch Erfahrungen gemacht?

Anna: Ich entferne mich ab und zu mal weiter von meiner Berliner Bubble, weil ich aus einer sehr ländlichen Gegend aus Bayern komme. Wenn ich den Menschen aus meiner Heimat über Never Not erzähle, fragen die meisten nicht näher nach, aber ein paar der jüngeren Mädels kommen oft auf mich zu. Sie finden das Projekt sehr cool, wollen das aber nicht vor allen Leuten sagen. Man merkt, dass das was in Berlin oder in Europas Großstädten passiert, nichts damit zu tun hat was der Durchschnitt macht und denkt. Und wir müssen schauen, dass wir auch diese Menschen mit ansprechen können – besonders bei unserer aktuellen Zielgruppe.

Nele: Was ist denn eure aktuelle Zielgruppe?

Anna: Unsere typische Nutzerin oder Kundin fühlt sich wohl in ihrem Körper. Dass der Never Not Tampon keinen Rückholfaden hat irritiert vielleicht jemanden, der sich nicht gerne anfassen möchte. Unsere Aufgabe ist es also auch die Leute an die Hand zu nehmen: Entertainment and Education! Zum Launch des Produktes haben wir Video- und Erklärmaterial aufgenommen. Unserer Kommunikation ist sehr aggressiv, aber wir schauen auch darauf, wie wir die Leute abholen können, die sich mit dem Thema noch nicht so wohl fühlen. Wir wollen eine Option schaffen, mit der sich Frauen während der Periode besser fühlen. Wenn aber jemand schon sein perfektes Periodenprodukt gefunden haben, dann ist das für uns okay.

Katha: Never Not funktioniert auch gut als Zusatzprodukt: Beim Reiten, im Gym, im Spa, beim Sex. Und das, was der Softtampon im Bett kann, kann einfach kein anderes Perioden-Produkt.

Nele: Periode und Sex ist ein großes Thema, auch bei euch. Sex polarisiert natürlich und in der Kombination mit der Periode noch mehr.

Katha: Auf unserem Instagram-Kanal geht es darum, wofür Never Not steht, nämlich „Do What you want“. Es geht darum als menstruierende Person zu machen, was man will – mach was du möchtest im Bett, mach was du möchtest im Berufsleben, mach was du möchtest in deinen Beziehungen (natürlich immer mit Rücksicht).

Wichtig dabei ist, dass es nicht darum geht sich dem Geschlechtspartner zu unterwerfen, weil er die Periode ekelig findet, sondern darum, dass ich mich als menstruierende Person beim Sex wohler fühle. Es geht nicht darum, dem anderen zu gefallen.

Nele: Nicht nur das: Wie oft hatte ich Sex während meiner Periode und musste ein Handtuch drunter legen oder konnte nicht nach oben?

Anna: Genau, der Tampon soll von dem zusätzlichen Gedankenmachen befreien. Man muss sich um eine Sache weniger kümmern.

Katha: Allein die ganzen Flecken in den Bettlacken, was man da an Reinigungsmitteln kaufen muss. Was ich schon an Bettwäsche und Unterwäsche entsorgt habe, ohne, dass Sex im Spiel war. Zeug, das einfach im Müll gelandet.

Nele: Habt ihr denn persönliche Period-Shaming Momente erlebt?

Katha: Ganz oft. Was mich tierisch aufregt ist dieser Satz: "Die hat doch ihre Tage.“ Mir wurde das im privaten und auch im beruflichen schon oft gesagt. Ob es dann der Fall war oder nicht, sei dahingestellt. Ich hab auch schon extrem oft gehört, dass dieser Satz über andere Frauen gesagt wurde. In einem Büro in dem ich mal gearbeitet hab, sind die Männer  sogar soweit gegangen, dass sie sich im Büro darüber unterhalten haben, dass ihre Frauen zuhause ihre Tage haben und deswegen so unerträglich sind. Sobald irgendetwas bei einer Frau nicht gepasst hat, wurde immer direkt unterstellt, dass sie ihre Tage hätte. Die Probleme oder Kritik der Frauen wurden so sofort abgetan und nicht mehr ernst genommen.

Nele: Ihr habt einen Slogan, der heißt „my body, my mind, my power“ – wann ist euch bewusst geworden, dass das ein Claim ist, der nicht selbstverständlich ist, sondern dass es etwas ist, was in die Welt hinausposaunt werden muss?

Anna: Uns ist in den letzten Woche bewusst geworden, dass wir mit unserer neuen Selbstständigkeit über alles selber Entscheidungen treffen können – über unser Leben, was wir Karrieretechnisch machen, was wir mit unserem Geld machen… Das war ein krasser Moment. Vor allem der Teil „My mind, my power“ trifft dieses Gefühl auf den Kopf – wir können mit unserem Kopf so viel ändern und so viel machen.

Katha: „My body, my mind, my power“ kann so viele Ebenen haben: Wir reden immer über Europa und über eine Bubble und darüber ob wir mal einen doofen Spruch bekommen oder nicht, aber Mädchen in Indien können nicht zur Schule gehen, wenn sie ihre Periode haben, weil sie dort als dreckig gilt.

Wir haben probiert in unserer Kampagne widerzuspiegeln, dass Never Not wirklich ein Produkt für alle ist und nicht nur für eine gewisse Zielgruppe und nicht nur für die Bubble aus der wir kommen.

Nele: Besonders spannende finde ich, dass ihr kein Produkt für Frauen per se macht, sondern für Menstruierende.

Anna: Bei Perioden-Produkten denkt man direkt an Frauen! Dabei gibt es so viele verschiedene Gender mit denen man sich identifizieren kann und ungefähr die Hälfte davon kann seine oder ihre Tage bekommen.

In dem Moment in dem du dich mit einem Frauenkörper männlich fühlst, willst du eventuell weniger mit der Periode zu tun haben, weil es sich für dich nicht natürlich anfühlt –  da wird Never Not vielleicht besonders spannend. Du spürst es nicht und es hat keinen sichtbaren Faden. Das kann einen Mehrweit, für zum Beispiel einen Transmann haben, der in der Anpassungsphase ist.

Nele: Es geht nicht nur um Gender-fluide Menschen oder Transmenschen in der Übergangsphase, sondern auch um viele Transmänner, die weiterhin in ihrem biologischen Körper bleiben, aber sich als Mann fühlen. Wenn sie gar nicht den Anspruch haben, das Geschlecht anzupassen kann es für sie sehr wichtig sein, ein Produkt zu finden, das auch langfristig das Leben begleitet.

Katha: Wenn du als Mann wahrgenommen werden möchtest, kann der Rückholfaden eines normalen Tampons für sehr viel Verwirrung sorgen. Ich hab einen guten Trans-Freund, der immer seine Periode verstecken wollte, für ihn ist Never Not ideal.


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Nele: Eure Kampagne zeigt einen Transmann, eine Businessfrau, eine Sexworkerin… Mit euren Kampagnen provoziert ihr – das ist euer Weg Tabus zu brechen. Was könnt ihr anderen an die Hand geben, um gemeinsam zu einem noch toleranterem, offenerem Umgang beizusteuern?<



Anna: Man muss sich vor Augen führen, dass die Periode ein Thema ist mit dem man niemandem etwas Schlechtes tun kann. Es kann unbequem sein, aber das war’s.

Katha: Ich provozier eh ganz gerne. Ich kann nur sagen, wenn man ein Tabu bricht, dann ist das Maximale was passieren kann, dass sich Leute aufregen. Und wenn man das an sich abprallen lässt, dann geht es einem selbst viel besser. Nur die anderen, die sich aufregen, haben einen gesteigerten Blutdruck. Deswegen ist es wichtig Sachen aus- und anzusprechen. Und es passiert überhaupt nichts anderes auf der Welt, wenn ich heute am Tisch sage, dass ich meine Tage habe.

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